Aus Stuttgarter Zeitung von heute:
Feines Essen auf Rädern
Weil das Restaurant geschlossen bleiben muss, bedient ein Wirt am Bodensee seine Gäste in deren Wohnmobil. Eberhard Wein
Uhldingen-Mühlhofen. Das Wasser ist abgelassen, das Wohnmobil geputzt, die Saison vorbei. Auch die traditionelle Ausfahrt nach Weihnachten haben die Eiseles Corona-bedingt abgeschrieben. Aber jetzt sind sie doch noch mal losgefahren. Vom Unterstand auf einem Bauernhof steuert Jens Eisele das Dethleffs-Mobil ein paar Hundert Meter die Straße entlang bis zum Kreisverkehr und von dort auf einen Parkplatz. Kurz darauf klopft die Servicekraft Viviane Carlucci an die Tür und reicht ein Päckchen mit Kerze, Blümchen, Tischdecke, Besteck, Gläsern und Piccolo hinein. „Womo-Menü“ heißt das Angebot, mit dem Martin Möcking, Chef des Bodenseehotels Sternen in Uhldingen-Mühlhofen (Bodenseekreis), einen unerwarteten Ansturm ausgelöst hat. Jeden Abend parken sechs Wohnmobile vor dem Restaurant. Die Speisekarte lässt sich per Smartphone abrufen, bestellt wird am Telefon. Kurz darauf schleppen die Kellner Feldsalat mit Speck und Croutons, Steaks aus der Kalbshüfte mit frischen Champignons und gebratene Gans, auf Tellern angerichtet und in Warmhalteboxen, quer über den Parkplatz. Die Wohnmobile stehen am anderen Ende des Parkplatzes, laut Corona-Verordnung dürfen Speisen nicht im Umkreis von 50 Metern eingenommen werden. Sonst könnte Möcking an manchen Tagen locker den ganzen Parkplatz füllen. Dabei sei er gar nicht selbst auf die Idee gekommen, räumt der 43-jährige Gastronom ein. Ein Stammgast habe am letzten Abend vor dem Teil-Lockdown im Restaurant gesessen und bedauert, in den kommenden Wochen nicht mehr zu Gast sein zu können. Dann habe sich dessen Miene plötzlich aufgehellt. „Ich komme einfach mit dem Wohnmobil vorbei.“ Von den geltenden Corona-Regeln ist das offenbar gedeckt. Zumindest konnte das Landratsamt des Bodenseekreises keinen Paragrafen nennen, gegen den Möcking verstoßen würde. „Für uns ist es einfach die Gelegenheit, die Mitarbeiter zu beschäftigen“, sagt Möcking. Nur Kurzarbeit, das sei nicht gut und bedeute für viele auch zu wenig Geld. Spaß macht die Aktion aber auch. „Das ist total witzig.“ Eine goldene und eine silberne Hochzeit, dazu mehrere Geburtstage konnten auf diese Weise angemessen gefeiert werden. Anfragen erreichen den Sternen nicht nur aus der Nachbarschaft, sondern auch aus Stuttgart, Österreich, der Bretagne und sogar Irland. Allerdings: Übernachten darf man auf dem Parkplatz nicht. Da greift das Beherbergungsverbot. Bei Eiseles wird derweil wieder abgetragen. „Superlecker“ sei es gewesen, sagt Cordula Eisele. „Es war nicht wie auf dem Campingplatz, nicht wie zu Hause und auch ein bisschen anders als im Restaurant – irgendwie aufregend.“ Ende November stehe der Hochzeitstag an. Dann will das Paar wiederkommen.